Schlagwörter
…oder „Che“ Wildbichler und Dorfbulle „Schorsch“ Wammetsberger beim Bier
Ein famoser Sonnenuntergang über dem Kloster Bräuberg. Der Himmel im Westen färbt sich rot – so rot wie das Innere einer Blutorange oder die flatternden Fahnen der altgedienten Revolutionäre. Und auch das Laub auf den Bäumen, den Ahorn, Linden und Kastanien, leuchtet in purpurner Pracht. Zwei bärtige Männer in olivfarbenen Kampf-Monturen stapfen die steilen Stufen zum Kloster hinauf. Einer der Bärtigen trägt ein Castro-Käppi, der andere ein schwarzes Barrett mit rotem Stern. Und beide haben einen Gamsbart an ihre Kopfbedeckung gesteckt. Über die Schulter hängen zwei altertümliche Wilderer-Stutzen. Da die beiden Malx-Marxisten außer Dienst sind, haben Sie die Kalaschnikows in ihrem Dschungelcamp oben auf der Alm gelassen.
„Che“ Wildbichler und sein treuer Gerstensaft-Genosse „Paco“ Schwarzkogler treten durch die mit grünen Girlanden umwickelte Pforte des ehemaligen Klostergartens. Längst wird hier nicht mehr meditiert und disputiert, heute widmet man sich hier den profanen Freuden leiblicher Genüsse. Che und Paco blicken sich suchend um. Um sie herum herrscht geschäftiges Treiben, an den Biertischen findet sich fast kein freier Platz mehr. Kellnerinnen hasten leicht geschürzt an ihnen vorbei – ohne die beiden rauschebärtigen Revolutionäre eines Blickes zu würdigen. Sie nicken sich im stummen Einverständnis zu, an Orten wie diesen wurden früher Revolutionen gemacht. Und heute? Heute greifen die Massen zur Maß und nicht mehr zu den Waffen. Paco höhnt: „Opium fürs Volk!“ „Si, seguro companero“ erwidert Che mit steinerner, undurchdringlicher Miene. Es sind wahrlich traurige Zeiten für die Vorkämpfer des proletarischen Aufstands.
Ches Blick bleibt an einem Hinweisschild hängen: zur Schänke. Wieder nicken sich die beiden Männer zu – und gehen entschlossen in die von dem Schild angegebene Richtung. Am Ausschank hat sich bereits eine lange Schlange von Volksgenossen gebildet. Geduldig warten Che und Paco bis sie an die Reihe kommen. Ein grobschlächtiger Schankkellner knallt zwei Maßen vor ihnen auf den Schanktisch – und raunzt sie grantig an: „Was seid denn ihr für Spaks? Sind wir hier Kuba oder was?“ Wildbichler und Schwarzkogler würdigen den kropferten Kretin keines Blicks. „Fascho-Arsch!“ knurrt Paco als sie außer Hörweite waren. Wildbichler ließ einen seiner Lieblingssprüche vom Stapel: „Einer der nichts weiß, weiß alles besser. Wer eine Knarre hat, hat auch ein Messer.“
Festen Schritts schreiten „Il Comandante“ und sein Ko-Kommandant voran. Unter ihren schweren Stiefeln knirscht der Kies. Der ein oder andere Biergartenbesucher schaut dem Double-Duo von Che und Castro gelangweilt nach und denkt sich: Drehen die hier einen Werbespot? Oder haben’s die beiden Clowns für ein Team-Incentive engagiert? Motivation mit Marx oder so? Endlich hat der Spießrutenlauf ein Ende – die beiden steuern auf ein lauschiges Plätzchen in einem stillen eck des Biergartens zu. Da winken ihnen zwei Gestalten zu. Der eine ein langes dürres Gestell, der andere ein untersetzter, bulliger Kerl. Beide tragen die Montur der Gebirgsschützen, zwei Stutzen von derselben Bauart wie die der beiden raubeinigen Rebellen lehnen an der Bierbank. „Da verreck, der Che!“ tönte es aus tiefster Brust. Der grob gehauene Klotz von einem Mannsbild saß unbewegt da wie ein bayerischer Buddha – doch in seinen Augen funkelte es listig. „Che“ Wildbichler rang sich ein Lächeln ab: „Servus Schorsch! Was machst denn du da?“ Es war eine stupide, unsinnige Frage – stand doch ein randvoller Maßkrug vor dem bajuwarischen Gyros-Koloss.
Schorsch Wammetsberger war seit über 30 Jahren Polizist, ein Urgestein um genau zu sein, aber vor allem ist er Bayer – und zwar einer der die anderen nach ihrer Fasson leben lässt. Nun meldet sich auch der zweite im „Schützen-Bund“ zu Wort: „Und der Castro, ze fix. Wem du nicht alles beim Bräuberger triffst! Hockt’s euch her!“ Franz Xaver Gschwandtner ist seit Jahren Wammetsbergers Partner auf den „Straßen von Bad Brennbruck.“ Ein gefürchtetes Gespann – der Schrecken der Grenzberger Unterwelt! „Was macht die Revolution?“ erkundigt sich Schorsch beiläufig. „Passt scho – ois im roten Bereich“, bemerkt Che nebenhin. „Und bei euch?“ macht Paco ein wenig Konversation. „Haut scho, ois senkrecht!“ Es ist alles gesagt, was zu sagen ist Die beiden Bullen und die beiden Revolutionäre stoßen mit den Krügen an: „Auf geht’s, auf drei! Oans, zwoa…“ Wie auf ein Kommando leeren die Vier die Maßkrüge auf einen Zug. Der Schaum wird vom Mund gewischt – und jemand brüllt: „Noch eine Runde?“ Die Frage ist eine rein rhetorische. Denn die Szene aus dem Bräuberger Biergarten beschließt ein Einmütiges: Hasta la cerveza siempre!
Dinesh Bauer