Sepp Holzer ist im besten Sinn ein Naturbursch. Um die Pflanzen und Tiere, die Kreisläufe der Natur zu verstehen, bewegt sich der „rebellische Querkopf“ auf den „Spuren der Intention“. Der Bergbauer mit dem krausen Prophetenbart hat seinen Krameterhof im hintersten Winkel des Lungaus in jahrzehntelanger Arbeit in einen Garten Eden mitten in den Bergen verwandelt.
Bin ich im Dschungel Ecuadors, an den Abhängen der Anden? Mein Vordermann schlittert mit seinen Trekking-Schuhen den steilen, glitschigen Pfad hinab, hält sich krampfhaft an Ästen und Zweigen der ringsum wuchernden Wildnis fest. Auf seinem T-Shirt prangt die Aufschrift: „Kuh vadis?“ Tja wohin führt uns unser Weg? Im Unterholz raschelt es, Schmetterlinge tanzen, eine Ringelnatter schlängelt eilig davon. Aus dem Gebüsch rankt und schlingt es sich um 40 Paar wetterfester Wanderstiefel und den „Jesus-Latschen“ einiger unverbesserlicher Outdoor-Optimisten. Ich will mehr über Sepp Holzer und seine Permakultur erfahren und so schlittere ich mit – über Stock und Stein, Brombeere und Bein. Schon nach wenigen Hundert Metern zeigen sich bei den „Untrainierten“ unter den Besuchern von Holzers Hof erste Ermüdungserscheinungen. Die Marschkolonne zieht sich jedenfalls auseinander wie eine diatonische Ziehharmonika. Mit kräftigen, weit ausholenden Schritten stürmt unser Führer voran. Durch knöcheltiefen „Batz“ wate ich ihm hinterher.
Schließlich bleibt der graubärtige Charakterkopf stehen, schiebt sich durch dichtes Brennnesselgestrüpp, bis dort Himbeer- und Ribiselsträucher zum Vorschein kommen. Die Ribiseln, sprich die Johannisbeeren, schauen zum anbeißen gesund aus. Einige schlammige Schritte weiter platzen die Kürbisse aus ihren Nähten, spitzen Salat- und Kohlrabiblätter aus dem terrassierten Waldboden. Weiter oben beim Hof hat uns Holzer Kiwis, Zitronen und Maronen gezeigt. In 1300 Meter Seehöhe, inmitten von über 2000 Meter hohen Bergen – ein wahres Wunder.
Wenn man den stämmigen, untersetzten Mit-Sechziger energisch durchs „Grün“ pflügen sieht, drängen sich Klischeebegriffe wie „Waldschrat“, „Quadratschädel“ oder „Naturapostel“ auf. Doch das alles trifft nicht den Wesenskern dieses couragierten, beherzten Bergbauern, der als Markenzeichen einen verfilzten Vollbart und einen fleckigen Filzhut trägt und der „Filzokratie“ und der Agrarlobby den Kampf angesagt hat. Holzer hat gegen die Widerstände von missgünstigen Nachbarn und pedantischen Paragrafenreitern aus „seinem Hof“ ein alternatives „Mustergütle“ gemacht. Sein „Generationenprojekt der Permakultur und Agroforstwirtschaft“ lockt die Besucher in Scharen hierher: aus der Schweiz, aus Slowenien, aus Deutschland, ja bis aus Kanada kommen Naturfreunde, Hobbygärtner und Öko-Touris um das Reich des rebellischen Bergbauern in Augenschein zu nehmen. Und zweifellos: bei ihm, der „Vielfalt statt Einfalt“ predigt, gibt es genug zu sehen, ja zu bestaunen!
Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg: von Kiwis und Orangen
Holzers Paradies ist nicht groß – so um die 50 Hektar. 20 davon hat der „Bauer mit Leib und Seele“ zusammen mit dem Hof im Jahr 1962 von Vater Martin übernommen, den „Rest vom Paradies“ hat er dazugekauft oder gepachtet: Steile, abschüssige Hanglagen mit schlechten Böden, dementsprechend kümmerlich die Vegetation: steinige Brachflächen, magere Almweiden, monotone Fichtenschonungen. Dazu das raue, regenreiche Bergklima – und die unweigerliche Folge: Erosion und Bodenabtragung. Kurz und gut: ein Flecken Land in „bäuerlicher Grenzlage“. Holzers Anwesen, der Krameterhof, befindet sich seit drei Generationen im Familienbesitz und liegt im hintersten Eck des Lungaus. Dieser südöstlichste Zipfel des Landes Salzburg gilt als „Eisschrank“. Mit Jahresdurchschnittstemperaturen von um die 4,5 Grad nennt man die Gegend nicht umsonst „österreichisches Sibirien“. Hier oben in Höhen von 1000 bis 1500 Meter sind Schnee und Frost selbst im Juli oder August keine Seltenheit. Nicht unbedingt der Platz an dem man paradiesische Zustände à la Adam und Eva vermuten würde.
Holzer ist es dennoch gelungen die spröde Öde in eine grüne, blühende Oase zu verwandeln. In 40 Jahren harter und zäher Kleinarbeit hat Holzer die raue Bergnatur „gezähmt“ und nach seinen Vorstellungen in einen blühenden Garten verwandelt. Mit einem siebten Sinn für praktikable Ideen und einem tiefen Verständnis für die Wirkkräfte in den ökologischen Kreisläufen sowie den Wechselwirkungen von Boden, Pflanzen und Tieren hat er dieses „Wunder der Natur“ vollbracht. Heil- und Gewürzpflanzen werden in Kräuterspiralen, Salat und Gemüse in Terrassengärten angebaut, Obstbäume wurzeln in dem kargen Boden. An den sonnigen Abhängen blühen die streng geschützten roten und gelben Alpenenziane zu Hunderten, vermehren sich Kohlrabi, Blumenkohl, Radieschen, Zichorien und Rhabarberstauden. Und seine Pflänzchen sind besonders gesund: Biologen und Ernährungsphysiologen bestätigten, dass in Holzers Knollen und Beeren die acht- bis zehnfache Menge an Wirkstoffen enthalten ist, als in konventionell angebauter Treibhausware. Doch dieses Wachstumswunder hat noch mehr Facetten: Der „Agrarrebell“ lichtete den Fichtenfilz, siedelte alte, widerstandsfähige Schweinerassen an, terrassierte die Steilhänge wie in Ostasien, säte sibirisches Urkorn und andere „Stress resistente“ Getreidesorten wie Hafer, Gerste, Mais und Wildweizen. Auch Wasser ließ er den Berg „hinauf fließen“. Holzer verlegte ein Netz von Rohrleitungen, baggerte Gräben und Trichter für Bachläufe, Tümpel und Teiche.
Oben am Berg blühen Seerosen, tummeln sich Krebse, Frösche und Molche im Schilf. Ein echtes Biotop, ein Garten Eden inmitten des Fichteneinerleis ringsum. Ein Bergparadies, das so – zumindest nach Meinung dogmatischer „Schulbiologen“ und engstirniger Bürokraten – überhaupt nicht existieren dürfte. Den Weg zurück zur Wildnis fand Holzer von alleine, in dem er ganz intuitiv das praktische Prinzip von Versuch und Irrtum anwandte. Probieren geht über studieren, ist denn auch einer seiner Kernsätze, die er seinen Besuchern immer wieder eintrichtert: „Was funktioniert in der Natur und was funktioniert nicht? Es liegt an mir, wenn ich etwas falsch mache. Und ich habe früher selber alle Fehler gemacht“, gesteht er freimütig, um seine Kehrtwende um 180 Grad zu unterstreichen: „Aber ich habe daraus gelernt und umgedacht. Die Natur selbst ist perfekt, man muss ihre vernetzten Kreisläufe lediglich verstehen und lenken, dann arbeitet sie für einen.
Der Bauer selbst muss gar nicht so viel tun. Das erledigen seine fleißigen Mitarbeiter, die Regenwürmer, die Bienen, die wild laufenden Schweine, die rund um die Uhr im Einsatz sind. Wenn ich allerdings mit der Giftspritze herumfuchtle, den Boden überdünge und durch die Bewässerung die Nährstoffe ausschwemme, muss ich mich nicht wundern, wenn das Gleichgewicht gänzlich aus den Fugen gerät.“ Diesen „Kampf gegen die Natur“ hat Holzer den Kampf angesagt. Und zwar nicht erst seit es Mode geworden ist, „grün zu sein“.
von Dinesh Bauer
Mehr von mir? Meine eBooks auf Amazon findet ihr…
http://www.amazon.de/Hans-Peter-Dinesh-Bauer/e/B005F2DLJK