Schlagwörter
bayerisch Sterben, bayerische Geister, Boandl, Boandlkramer, der Tod, ewiges Leben, Gevatter Tod, Kelten in Bayern, keltisches Erbe, Knochenmann, Krampus, Sagengestalt, Sensenmann, Sparifankerl
Der Boandl oder der Boandlkramer ist ein allegorischer Begriff, die Personifikation des Todes, der einen tief in die bayerische Seele blicken lässt. Zu den Vorfahren der Bajuwaren zählten die im Oberland und in den Alpenregionen ansässigen keltischen Stämme, die Räter, die Breonen, die Vindeliker mit ihren vier Unterstämmen, den Cosuaneten, Rukinaten, Likatier und Caternaten – archaisch klingende Namen, die ohne die römischen Geschichtsschreiber wie Cassius Dio längst vergessen wären. In dem großen Feldzug des Jahres 15 vor Christus besiegen die römischen Feldherrn Drusus und Tiberius die keltischen Stämme und besetzen das Land bis zur Donau. Die keltischen Einwohner werden in den folgenden Jahrhunderten romanisiert und weitestgehend assimiliert. Mit dem Abzug der römischen Legionen im 5. Jahrhundert entstand im Gebiet zwischen Alpen und Donau ein Machtvakuum. Dieses füllen nach und nach die Baiern, die ab dem 6. Jahrhundert ein eigenes Herzogtum bilden. Woher die Bayern respektive Bajuwaren kommen, ist in Kreisen der Historiker bis heute umstritten. Wahrscheinlich kommen sie – im Gegensatz zu all den anderen germanischen Stämmen – von nirgendwo her.
Die Genese des bayerischen Volks erfolgte wohl eher in einem dynamisch, organischen Prozess. Die hier siedelnden Keltoromanen vermengten sich über einen Zeitraum von 250 Jahren hinweg mit einigen „Zuzüglern“: Slawen aus dem Nordosten, Germanen aus dem Nordwesten, dinarischen Stämmen aus dem Südosten. Aus dieser genetischen Mixtur entwickelte sich nach und nach ein eigener Phänotyp. Von eher stämmiger Statur, mit kantigen, grob gehauenen Gesichtszügen, schwarzer Mähne und eher dunklem Teint. Dazu die typischen Charaktereigenschaften des „Homo Bavaricus“: streitlustig, schlitzohrig, starrköpfig, abergläubisch, fatalistisch, nicht sonderlich sittsam und zur Trunksucht neigend. Ein Charakterbild das noch Anfang des 20. Jahrhunderts von aus Norddeutschland stammenden Gelehrten kolportiert wurde. Das „keltische Erbe“, samt seiner Geisterwelt, hat in der bayrischen Seele bis heute sichtbare Spuren hinterlassen. Archetypische (Kult-)Figuren wie der Krampus, die Perchten, der Sparifankerl oder eben der Boandlkramer sind genuin keltischen Ursprungs.
Der „Boandlkramer“ ist eine ureigene, bayrische Wortschöpfung, die sich aus den Begriffen „Boandl“, sprich dem Gebein, sowie dem „Kramer“, einem herumfahrenden Händler und Geschäftemacher, eben einer Art „Kleinkrämer“ zusammensetzt. Einer solchen, eher armseligen, etwas schmierigen Erscheinung bringt man wenig Achtung und Respekt entgegen. Der bayrische Tod hat im Gegensatz zum gebieterischen Sensen- oder Knochenmann nichts „Dämonisches“, „Unheimliches“ an sich. Um den Tod macht man in Folge dieser „Ikonografie“ kein großes Aufhebens – er gehört zum Leben dazu, nicht mehr und nicht weniger.
Der „Boandl“ ist nicht etwa ein selbstherrlich agierender Popanz, sondern eher ein untertänig auftretender Knecht, der im Auftrag des „Herrn“ seine Arbeit erledigt. Vom Aussehen her, ein bleicher Gesell, ein Armenhäusler, hohlwangig und „knochig“, der halt seinen Job macht, weil es ihm aufgetragen respektive „aufgesetzet“ ist. Als typische „Krämerseele“ ist er einem Handel, einem Spielchen nie abgeneigt. Der Tod ist ein „odrahta Schlankl“. Per se kein unsympathischer Bursche, der einen eben „in aller Unschuld“ ins Jenseits befördert – ohne großes Brimborium. Wer findig und hinterfotzig genug ist, kann den Boandlkramer jedoch überlisten und über den Tisch ziehen. Sprich: in Bayern steht man mit dem Gevatter Tod auf vertrautem Fuß. Wie weiland die alten Kelten fürchtet sich ein echter Alpen-Aborigine vor wenig – und schon gar nicht vor dem Tod. Höchstens, dass einem – nach der sechsten Maß – doch noch der Himmel auf dem Kopf fällt.
Dinesh „Boandl“ Bauer
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