Schlagwörter
Aiderbichl, Gnadenbrot, Gnadenhof, humaner Umgang mit Tieren, Humanität, Kuh Yvonne, Michael Aufhauser, Patron der Tiere, Salzburger Land, Tierasyl, Tierreich, Tierschutz
Sie alle haben Schwein gehabt! Quoten-Kuh Yvonne, Zuchtsau Gertrud oder Ochse Garfield – übrigens Gottschalks Patenkind oder besser Patenrind. Die grünen Hügel um Aiderbichl sind ein Ort an dem neben Schweinen und Rindern auch Pferde, Esel, Ziegen und andere Vierbeiner ihr Gnadenbrot und manchmal eine Schüssel Kaiserschmarrn bekommen. Für viele Menschen ist es ein Symbol für einen anderen, respektvollen Umgang mit unseren Mitgeschöpfen, den Tieren. Ein Ort der zeigt, dass auch die Schwachen, Lahmen und Herrenlosen auf ihre alten Tage ein Obdach, ja im biblischen Sinne einen „Stall“ finden.
Asyl der Tiere
Der riesige Rappe Pinot Grigio zeigte Piaffen und Pirouetten auf dem Dressur-Parcours, das zottelige, lammfromme Schottische Hochlandrind Garfield tanzte im Zirkus Wiener Walzer und auf den fetten, freundlich grunzenden Eber Rudi wartete schon der Metzger. Ihr bereits besiegeltes Schicksal steht für die Hoffnung, dass manch tragische Geschichte doch ein „Happy End“ findet. Die Helden dieser Dramen sind die aus Todesnot „geretteten“ Tiere. Doch die Hauptrolle spielt einer, der früher einmal selbst Schauspieler war und jetzt seine Paraderolle als „Patron der Tiere“ gefunden hat: Michael Aufhauser. Schauplatz dieser Geschichten ist Gut Aiderbichl im Salzburger Land. Ein idyllisches Fleckchen Erde, das jederzeit die Kulisse für einen Heimatfilm abgeben könnte. Das Gut in seiner jetzigen Form hat Aufhauser im Jahr 2000 eröffnet, seitdem sind weitere Gnadenhöfe dazugekommen. 19 sind es inzwischen – in Deutschland, Österreich, Frankreich und der Schweiz. Rund 2000 Tiere – vom blinden Kälbchen über das lahmende Lämmchen bis zum blinden Eselchen – verbringen hier einen unbeschwerten Lebensabend bei freier Kost und Logis – und zwar „für immer“ wie der Aiderbichl-Gründer gerne versichert. Für die Menschen, die in Scharen hierher kommen, ist das aus Funk und Fernsehen bekannte Gnadengut so etwas wie eine Pilgerstätte. Ein Stück heiler Welt, eine Art Garten Eden, in dem die Ziegenkitze friedlich neben den Kälbern, die Ferkel einträchtig neben den Fohlen liegen, Pfauen ihr Rad schlagen und Tauben frei herumflattern. Für seine vierbeinigen Bewohner ist der „Stall von Aiderbichl“ jedoch vor allem eines: ein Platz an der Sonne, an dem es sich bei „Wasser, Brot und Grünzeug“ leben lässt.
Große Geschichten auf vier Beinen
In „Aufhausers Tierreich“ steht die Biografie, das persönliche Schicksal jedes einzelnen Tieres im Mittelpunkt. Die Botschaft steht zwar zwischen den Zeilen geschrieben, ist aber dennoch unübersehbar: Bei Tieren handelt es sich um keine Sache mit „Prüfnummer“, sondern um Individuen, die wie wir Menschen Schmerz und Freude empfinden. Unter der Patronage des „Gut-Menschen“ sind alle Tiere – aber etwas anders als in Orwells „Animal Farm“ – gleich! Auf Gut Aiderbichl wird kein Unterschied zwischen großen und kleinen Tieren, zwischen den Stars der Menagerie und den „grauen Mäusen“, zwischen dem Paten-Pony eines Prominenten und einem krummbeinigen, bei Tierversuchen zum Krüppel gespritzten Ziegenbock gemacht. Alle die hier sind, sind ausnahmslos Helden, die ihre eigene Story geschrieben haben. Es sind Geschichten wie die der 9-jährigen Milchkuh Isabella, die auf dem Weg zum Schlachthof die Gefahr förmlich „roch“ und in letzter Minute die Flucht ergriff. Erst nach einer mehrstündigen, dramatischen Verfolgungsjagd konnte Isabella eingefangen werden – und bekam einen „Ehrenplatz“ im Stall von Aiderbichl. Um das Glück vollzumachen, bekam Isabella kurz nach ihrer Ankunft ein Kälbchen: Walter! Die Personifizierung der Tiere dient für Aufhauser einem ganz bestimmten Zweck: sie soll Yvonne, Biggy & Co. aus der Anonymität der namenlosen Masse herausholen und die Menschen zum Umdenken bewegen. „Wenn ich lese, dass jährlich so und so viel Millionen Hühner und Schweine geschlachtet werden, dann lässt mich das innerlich kalt. Wenn ich jedoch höre, dass die Kuh Yvonne nach dem Sie sieben Monate an einen Pflock angebunden war, getürmt ist, dann erreiche ich die Menschen und führe ihnen das Leid der Tiere ohne erhobenen Zeigefinger vor“, erklärt Aufhauser seine Philosophie. Von gespreizten, langatmigen Belehrungen oder der „Schock-Therapie“ durch Grusel-Videos hält er dagegen wenig. Emotionales Erleben, soll zum Umdenken führen. Ein Besuch auf dem „Gut“ soll die Menschen zum „Guten“ bewegen. Für Aufhauser ist „recht verstandener Tierschutz immer auch Menschenschutz.“
Der „gute Mensch“ von Aiderbichl
Der 60-Jährige lebt seine „Mission Aiderbichl“ 365 Tage im Jahr. Er hat Millionen in den Ausbau seiner „Begegnungsstätte von Mensch und Tier“ investiert – mit Erfolg: in zehn Jahren kamen drei Millionen Besucher ins Haupthaus nach Henndorf. Aiderbichl II im niederbayerischen Deggendorf – mit „Einhorn-Kuh“ Yvonne als Zugpferd – lockt gleichfalls jedes Jahr Abertausende von Besuchern. Der dritte Hof der „Aiderbichl-Serie“ wurde in Iffeldorf an den Osterseen eröffnet. Doch den neuen „Garten Eden“ gibt es zumindest hier auf Erden nicht zum Nulltarif. Aufhausers Höfe sind ein Wirtschaftsunternehmen mit Hunderten von Mitarbeitern – Tierpfleger, Tierärzte, aber auch Web-Designer und Programmierer. Um die Unterhaltskosten von mehreren Millionen Euro jährlich zu erwirtschaften, reichen die Eintrittsgelder, die Zuwendungen der 30000 Paten und die Einkünfte aus Merchandising und Gastronomie nicht aus. Um die Lücken zu schließen, setzt Aufhauser auf Spenden von Tierfreunden aus aller Welt. Um seine Idee von einer humaneren Welt zu verbreiten, scheut Aufhauser auch nicht davor zurück, seine „Vierbeiner“ nach allen Regeln der Kunst zu vermarkten. So übernehmen populäre Fernseh- und Bühnenstars von Thomas Gottschalk über Andy Borg bis hin zu Uschi Glas die Rolle von „Botschaftern“. Doch die „Aiderbichl-Philosophie“ ist nicht unumstritten. Kritiker prangern die hemmungslose Kommerzialisierung und den „verniedlichenden, kitschigen“ Blickwinkel auf die Tierwelt an. Seine Fans sehen in Aufhauser indes eine Ikone, einen Sankt Leonhard der Postmoderne, den neuen „Paten der Tiere“.
Dinesh Bauer
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