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20140422_0447Die guten alten Zeiten, waren vor allem eines hart und brutal. Das suggeriert zumindest eine grausige Geschichte, die am Auerberg spielt. Der Auerberg hat seinen Namen von der Ortschaft Au bei Bad Aibling. Es handelt sich um einen langgestreckten, den Voralpen vorgelagerten Hügelkamm. Mit Wiesen und Waldstücken gesprenkelt. Der höchste Punkt ist das Hocheck – 907 Meter hoch und mit einer Ausflugswirtschaft oben am „Gipfel“ gesegnet. Den Wiesenhang nach Nordwesten hinunter sieht man eine weiß getünchte Kapelle mit einem kleinen Turm und dahinter eine dicke, alte Linde, die wohl einige Jahrhunderte auf der Rinde – und zumindest der Sage nach eine grausige Untat am Kerbholz hat. Demnach ist die „Schnitzenbaumer-Kapelle“ anno dazumal zur Sühne einer Blutschuld errichtet worden.

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Es war wohl vor 300 Jahren, zur barocken Blütezeit der Wallfahrten. Vom Unterland – also vom Inntal herauf – zogen viele Pilger zum wundertätigen Gnadenbild nach Birkenstein im Leitzachtal. Der Weg der Wallfahrer führte über den Auerberg. Nach dem steilen, schweißtreibenden Anstieg – es waren immerhin 400 Höhenmeter zu überwinden – waren die Wallfahrer müde, hungrig und durstig. Die mehr oder weniger gläubigen Gesellen fragten und fackelten nicht lange und bedienten sich auf den Feldern der Bauern – und stibitzten alles Essbare: Äpfel, Zwetschgen und Rüben.20140422_0455 Der Bauer von Schnitzenbaum ergrimmte ob dieser Diebereien so sehr, dass er sich auf die Lauer legte und einen der Pilgersmänner in flagranti ertappte. Der Kerl hatte eben drei Rüben aus seinem Acker gegraben. Da schritt „Scheriff Schnitzenbaumer“ zur Tat. Eine Szenerie wie man sie aus Western-Epen kennt. Der kräftig gebaute Bauer griff sich den Rübendieb. Dann schlang er ein Seil um einen dicken Ast der Feldlinde, steckte den Kopf des Missetäters in die Schlinge – und hängte ihn. Der leblose Körper baumelte am Ast. Und man hört förmlich wie die Ziehharmonika dazu das Lied vom Tod orgelt. Nun war man damals zwar rabiat und brutal aber auch gläubig. Zur Strafe für seine „im Affekt“ begangene Bluttat musste Schnitzenbaumer zur Maurerkelle greifen – umso für sein sündhaftes Tun zu büßen. Soweit die Legende vom diebischen Wallfahrer und dem lynchenden Bauern. Ob diese Wildwest-Schmonzette der Wahrheit entspricht, scheint allerdings fraglich. Gesichert ist, dass die schlichte Kapelle in der Nähe des Schnitzenbaumer-Hofs 1707 erbaut und dem heiligen Koloman geweiht wurde.

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n der Figur des Schutzpatrons der Kapelle gründet möglicherweise der wahre Kern der Sage. Koloman war nämlich – zumindest kolportiert das seine Heiligen-Vita – ein irischer Wanderprediger, der Anno Domini 1012 auf dem Weg nach Jerusalem den Märtyrertod erlitt. In dem Ort Stockerau, in der Nähe von Wien, wurde Koloman aufgrund seines fremdartigen Aussehens für einen Spion des verfeindeten Herzogs Boleslaw von Böhmen gehalten und arretiert. Wie immer in solchen Fällen von „Hochverrat“ wurde kurzer Prozess mit dem armen Pilger gemacht.

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Koloman wurde zwischen zwei Mördern – eine Analogie zum Kreuzestod Jesu – an einem dürren Holunderstrauch aufgeknüpft. Der gemeuchelte Wandermönch mauserte sich in der Folge zum Schutzpatron der Heiratswilligen, des Viehs, der Gerichtsstätten und – was einem am wenigsten verwundert – aller zum Tod am Strang Verurteilten. Die allegorischen Attribute des Heiligen verweisen auf die Umstände seines Martyriums. Auf Gemälden hält Koloman deswegen entweder einen Strick in der Hand oder er wird als Erhängter an einem Baum dargestellt. Heute kümmert sich übrigens die Familie Weinzierl um die „Kollmans-Kapelle“. Stück für Stück wird sie mit Spenden von Grund auf saniert – so hat das idyllisch gelegene Kirchlein bereits ein neues Blechdach bekommen. Auch eine der beiden, im zweiten Weltkrieg vom damaligen Mesner nach Au „verschleppten“ Glocken hängt seit Mai 2012 wieder im Glockenstuhl – und läutet zusammen mit ihrer Glocken-Genossin hell und rein, als ob hier oben am Berg nie etwas Grausiges geschehen wäre.

Dinesh Bauer

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